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Bundesverfassungsgericht kippt Teile der Triage-Regelung
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Einleitung / Hintergrund
In Krankenhäusern kann es in seltenen, aber sehr belastenden Situationen vorkommen, dass die medizinischen Ressourcen – etwa Intensivbetten oder Beatmungsgeräte – nicht für alle Patientinnen und Patienten ausreichen. Für solche Situationen gibt es in der Medizin das Konzept der sog. Triage, das bedeutet, dass Ärztinnen und Ärzte entscheiden müssen, wer vorrangig behandelt werden kann, wenn nicht alle gleichzeitig die gleiche Hilfe erhalten können. Diese Entscheidungen sind für das medizinische Personal extrem schwierig, da sie sowohl medizinische als auch ethische Fragen berühren.
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Ursprung des Triage-Konzepts
Der Begriff Triage kommt aus dem Französischen: trier bedeutet „auswählen“ oder „sortieren“. Das Konzept wurde erstmals im 18. Jahrhundert in der französischen Armee entwickelt, insbesondere während der Napoleonischen Kriege. Der Militärarzt Dominique Jean Larrey, Leibarzt Napoleons, gilt als Begründer der modernen Triage. Er führte das Prinzip ein, verletzte Soldaten nicht nach Rang oder Herkunft, sondern nach der Dringlichkeit ihrer Verletzung zu behandeln. Das war zu dieser Zeit revolutionär: Die medizinische Versorgung orientierte sich plötzlich an medizinischen, nicht sozialen oder militärischen Kriterien.
Im 20. Jahrhundert wurde die Triage auch im Katastrophen- und Zivilschutz übernommen – etwa bei Naturkatastrophen, Verkehrsunfällen oder Terroranschlägen. Hier diente sie dazu, bei einer großen Zahl von Verletzten schnell zu entscheiden, wer sofort Hilfe braucht, wer warten kann und bei wem leider keine Aussicht auf Rettung mehr besteht. Das Ziel: Die vorhandenen medizinischen Ressourcen (z. B. Personal, Medikamente, Geräte) so einzusetzen, dass möglichst viele Menschen überleben.
In modernen Krankenhäusern wird Triage heute routinemäßig angewandt – zum Beispiel in Notaufnahmen. Dort werden Patientinnen und Patienten nach Dringlichkeitsstufen eingeteilt (z. B. mit dem Manchester-Triage-System oder dem Emergency Severity Index). Das bedeutet nicht, dass jemand schlechter behandelt wird, sondern dass lebensbedrohliche Fälle schneller behandelt werden, um Leben zu retten.
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Triage in ethischer und rechtlicher Hinsicht
In Extremsituationen wie der COVID-19-Pandemie kam die Triage erneut ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Dabei ging es nicht um die Einteilung in der Notaufnahme, sondern um die schwierige Frage: was passiert, wenn zu wenige Intensivbetten oder Beatmungsgeräte vorhanden sind? Wer bekommt dann die Behandlung – und wer nicht?
Diese sogenannte Intensiv- oder Pandemie-Triage stellt nicht nur eine medizinische, sondern auch eine ethische und rechtliche Herausforderung dar. Sie berührt grundlegende Werte wie Menschenwürde, Gleichbehandlung und das Recht auf Leben. Und genau mit diesem Problem musste sich das Bundesverfassungsgericht in dem aktuellen Fall auseinandersetzen.
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Der aktuelle Fall
Während der Corona-Pandemie wurde deutlich, wie relevant klare Regeln für solche Notfälle sind. Der Gesetzgeber hatte deshalb 2022 spezielle Vorschriften zur sogenannten „Ex-post-Triage“ beschlossen. Diese sollten regeln, wie Ärztinnen und Ärzte handeln dürfen, wenn ein bereits behandelter Patient oder eine bereits behandelte Patientin schlechtere Überlebenschancen hat als jemand, der neu in die Notaufnahme kommt und ebenfalls intensivmedizinische Behandlung braucht.
Über diese Regelungen hat nun das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden – und sie für verfassungswidrig erklärt. Das Urteil vom 4. November 2025 hat große Bedeutung, sowohl für das Vertrauen von Patientinnen und Patienten in die Medizin als auch für die Verantwortung der behandelnden Ärztinnen und Ärzte.
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Was wurde entschieden?
Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass die gesetzlichen Vorgaben zur sogenannten Ex-post-Triage nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Diese Vorschriften hätten erlaubt, eine laufende Behandlung zu beenden, wenn dadurch eine andere Person mit vermeintlich besseren Überlebenschancen behandelt werden könnte. Nach Auffassung des Gerichts greift das jedoch unzulässig in die Berufsfreiheit von Ärztinnen und Ärzten ein und überschreitet zudem die Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Das Gericht betonte, dass medizinische Entscheidungen dieser Tragweite nicht durch starre gesetzliche Vorgaben ersetzt werden dürfen, sondern in der Verantwortung der Ärztinnen und Ärzte bleiben müssen.
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Was bedeutet das für Sie als Patientin oder Patient?
- Ihre laufende Behandlung darf nicht allein aufgrund einer statistischen Prognose beendet werden. Ärztinnen und Ärzte müssen individuell prüfen, welche Behandlung in Ihrer Situation medizinisch und ethisch vertretbar ist.
- Sie haben Anspruch auf eine individuelle Entscheidung. Das heißt, Ihre Behandlung darf nicht nach festen Prioritätslisten abgebrochen oder verweigert werden.
- Das Urteil stärkt Ihr Vertrauen, dass medizinische Entscheidungen in Extremsituationen sorgfältig und nach bestem Wissen und Gewissen getroffen werden – und nicht nach rechtlichen Automatismen.
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Was bleibt unverändert?
Auch nach dem Urteil können Situationen entstehen, in denen mehrere schwerkranke Menschen gleichzeitig behandelt werden müssen, die Ressourcen aber begrenzt sind. Ärztinnen und Ärzte dürfen weiterhin priorisieren – aber sie müssen dies auf Grundlage medizinischer Kriterien und ethischer Verantwortung tun, nicht auf Basis starrer gesetzlicher Regeln.
Das Urteil bedeutet also nicht, dass jede Behandlung garantiert werden kann, sondern dass Entscheidungen darüber rechtlich, medizinisch und menschlich verantwortbar getroffen werden müssen.
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Was können Sie als Patientin oder Patient tun?
- Sprechen Sie mit Ihren Ärztinnen und Ärzten über die Behandlungsgrundsätze in Notfällen. Viele Krankenhäuser haben Ethikkommissionen, die in schwierigen Situationen beraten.
- Erwägen Sie eine Patientenverfügung oder Vorsorgevollmacht. Damit können Sie selbst festlegen, welche medizinischen Maßnahmen Sie wünschen oder ablehnen, falls Sie sich einmal nicht mehr äußern können.
- Informieren Sie sich über Ihre Rechte. Ärztinnen und Ärzte müssen Ihre Behandlung stets individuell beurteilen und dürfen diese nicht aufgrund gesetzlicher Vorgaben automatisch beenden.
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Fazit
Das Bundesverfassungsgericht hat mit seiner Entscheidung deutlich gemacht: Bei der Behandlung schwerkranker Menschen darf kein Gesetz die ärztliche Verantwortung ersetzen. Jede Patientin und jeder Patient haben das Recht auf eine faire, individuelle Entscheidung – auch in Extremsituationen, in denen die medizinischen Möglichkeiten (oder Ressourcen) begrenzt sind.
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Wenn Sie uns Ihre Meinung dazu mitteilen wollen, dann schreiben Sie uns gerne an:
info@schmerzliga.de Stichwort: Triage-Regelung
Ihre Deutsche Schmerzliga e.V.
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