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Medizinisches Cannabis bei chronischen Schmerzen: Eine Einschätzung
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Medizinisches Cannabis bei chronischen Schmerzen: Eine Einschätzung
Zunehmende Nutzung trotz offener Fragen
Immer mehr Menschen greifen bei chronischen Schmerzen zu medizinischem Cannabis. Auch in Europa nimmt die Zahl der Verordnungen deutlich zu, nicht zuletzt, weil gesetzliche HĂĽrden gesenkt wurden.
Doch: Trotz steigender Nachfrage ist die wissenschaftliche Beweislage zur Wirksamkeit komplex und zum Teil widersprüchlich. Viele Ärztinnen und Ärzte wissen daher nicht genau, wie sie ihre Patient:innen zu diesem Thema beraten sollen.
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Medizinisches Cannabis in Europa: Rechtliche Entwicklungen
- In Italien dürfen Ärzt:innen spezielle Cannabis-Medikamente mit einem Sonderformular verschreiben.
- In Großbritannien sind zwei Cannabis-Arzneimittel für Ärzt:innen mit Spezialzulassung verordnungsfähig.
- Deutschland hat 2024 Cannabis auch fĂĽr den Freizeitgebrauch legalisiert. Das erleichtert indirekt den Zugang zu medizinischer Anwendung.
- Weitere Staaten wie Frankreich, Spanien, Dänemark, Slowenien und die Niederlande haben ihre medizinischen Programme eingeführt oder ausgeweitet.
Ein Bericht aus 2024 schätzt, dass europaweit bis zu eine halbe Million Menschen medizinisches Cannabis auf legalem Weg bezogen haben. Trotzdem bleibt die rechtliche Lage fragmentiert.
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Was ist medizinisches Cannabis, und wie wirkt es?
Die Hanfpflanze (Cannabis sativa) enthält über 100 sogenannte Cannabinoide, die mit dem körpereigenen Endocannabinoid-System (ECS) interagieren. Dieses System beeinflusst Prozesse wie Schmerz, Schlaf, Stimmung und Entzündung.
Wichtigste Wirkstoffe
- THC (Tetrahydrocannabinol)
- psychoaktiv ("high"-machend)
- wirkt ĂĽber CB1-Rezeptoren im zentralen Nervensystem
- schmerzlindernd, aber auch mit psychischen Nebenwirkungen verbunden
- CBD (Cannabidiol)
- nicht psychoaktiv
- kann angstlösend, entzündungshemmend und ausgleichend wirken
- reduziert mögliche Nebenwirkungen von THC
- Weitere Substanzen wie Terpene und Flavonoide könnten ebenfalls Einfluss auf Wirkung und Verträglichkeit haben.
Die genaue Zusammensetzung eines Produkts beeinflusst die Wirkung. Produkte mit höherem THC-Gehalt wirken oft stärker gegen Schmerzen, führen aber häufiger zu unerwünschten Wirkungen. CBD-lastige Produkte werden besser vertragen, wirken aber möglicherweise weniger stark.
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Studienlage: Was weiĂź man zur Wirksamkeit bei Schmerzen?
Internationale Bewertungen
- Eine groĂźe Auswertung der International Association for the Study of Pain (2021) zeigt: Viele Studien sind methodisch schwach, mit kleinen Teilnehmerzahlen, kurzer Dauer oder uneinheitlicher Definition von Schmerzarten.
- Andere Übersichtsarbeiten kommen zu ähnlichen Ergebnissen: Manche Studien zeigen geringe Vorteile gegenüber Placebo, aber auch häufige Nebenwirkungen wie Schwindel, Müdigkeit, Übelkeit, Konzentrationsstörungen.
Konkrete Einsatzgebiete
- Neuropathische Schmerzen (z. B. bei Nervenschäden): moderate Evidenz für Wirksamkeit
- Multiple Sklerose (MS): gute Evidenz fĂĽr Linderung von Spastik und Schmerz
- Migräne/Kopfschmerz: Hinweise auf Wirksamkeit, aber schwächer
- Fibromyalgie, Krebs-, Muskel- und Gelenkschmerzen: uneinheitliche Studienlage
Am besten erforscht: Sativex®
- Spray mit standardisierter Mischung aus THC und CBD
- zugelassen in Europa und Kanada bei MS und krebsbedingtem Schmerz
- eine der wenigen Cannabis-Anwendungen mit verlässlicher Studienlage
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Subjektive Besserung trotz gleichbleibender Schmerzen
Einige Studien zeigen: Auch wenn die objektive Schmerzstärke gleichbleibt, berichten viele Patient:innen von besserem Wohlbefinden, verbesserter Stimmung oder Schlafqualität.
In einer finnischen Studie beschrieben Betroffene medizinisches Cannabis als emotional hilfreicher als Opioide, obwohl die Schmerzwerte vergleichbar waren. Die positiven psychischen Effekte könnten also ein Teil des therapeutischen Nutzens sein.
Vergleich mit Opioiden
- In manchen Studien berichten Patient:innen, dass sie dank Cannabis den Opioidkonsum reduzieren oder ganz absetzen konnten.
- Gleichzeitig: Cannabis kann selbst abhängig machen (v. a. THC-haltige Produkte).
Viele Betroffene empfinden Cannabis als subjektiv sicherer als Opioide. Das allein ersetzt aber keine objektive Nutzen-Risiko-Abwägung.
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Warum ist es so schwer, klare Aussagen ĂĽber die Wirksamkeit von Cannabis zu treffen?
Die Diskussion über medizinisches Cannabis ist so kontrovers, weil die Forschung viele Hürden und Unsicherheiten mit sich bringt – und weil Cannabis kein einfacher Wirkstoff ist, sondern eine komplexe Pflanzenmischung. Die wichtigsten Gründe im Überblick:
- Forschungshemmnisse durch Gesetze
- Cannabis ist in vielen Ländern rechtlich als Betäubungsmittel eingestuft.
- Diese Einordnung macht es sehr schwer, hochwertige Studien durchzufĂĽhren: Die Genehmigungsverfahren sind langwierig, die Vorschriften streng.
- Cannabis ist kein „einfaches Medikament“
- Cannabis besteht aus Hunderten bioaktiven Stoffen (Cannabinoide, Terpene, Flavonoide).
- Produkte unterscheiden sich stark: z. B. Öl, Blüten, Edibles – jeweils mit unterschiedlicher Wirkung und Aufnahme im Körper.
- Auch Anbau, Verarbeitung, Lagerung beeinflussen die genaue Zusammensetzung.
- Das führt zu großen Unterschieden zwischen einzelnen Chargen – also: Was in Studie A hilft, wirkt in Studie B vielleicht ganz anders.
„Es ist nicht wie eine Tablette mit zwei Dosierungen – es ist viel komplexer.“
- Personalisierte Wirkung – aber schwer zu testen
- Viele Patient:innen „finden“ selbst die THC- und CBD-Dosis, die ihnen hilft – ein individueller Anpassungsprozess.
- In klassischen Studien („randomisierte kontrollierte Studien“) wird aber einheitlich dosiert – das passt oft nicht zur realen Nutzung.
- Darum liefern Studien mit festen Dosierungen womöglich nicht das volle Bild der Wirksamkeit.
Cannabis wirkt oft wie eine personalisierte Medizin – aber Studien können das schlecht abbilden.
- Reines Medikament vs. Pflanzenmischung
- Manche Wissenschaftler hoffen, dass synthetisch hergestellte Einzelsubstanzen helfen könnten (z. B. isoliertes THC oder CBD).
- Andere sagen: Gerade die Kombination aller Pflanzenbestandteile macht den Effekt aus – eine Art „Teamwork“ im Körper.
- Was passiert also, wenn man nur einzelne Stoffe verwendet? Möglicherweise geht ein Teil der Wirkung verloren.
- Schmerz ist schwer messbar und sehr individuell
- Chronischer Schmerz ist kein messbarer Laborwert, sondern eine subjektive, persönliche Erfahrung.
- Zwei Menschen mit gleicher Diagnose können sehr unterschiedlich empfinden.
- Die Beschwerden verändern sich über Zeit – was heute hilft, kann morgen wirkungslos sein.
- Außerdem gibt es unzählige Ursachen für chronische Schmerzen (Nerven, Gelenke, Psyche etc.) – und jede spricht unterschiedlich auf Therapien an.
„Man kann Patient:innen mit Schmerzen nicht einfach vergleichen wie Versuchstiere im Labor.“
Was heiĂźt das?
Diese vielen Variablen – von Produktvielfalt über individuelle Reaktionen bis hin zur gesetzlichen Einstufung – machen es extrem schwer, allgemeingültige Aussagen über die Wirkung von Cannabis zu treffen. Selbst große Studien stehen vor dem Problem, dass sie oft nicht realitätsnah abbilden, wie Patient:innen Cannabis tatsächlich nutzen.
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Warum ist die Studienlage also schwierig?
- Rechtliche HĂĽrden
- Cannabis ist in vielen Ländern als Betäubungsmittel eingestuft.
- Das macht Forschung teuer, langwierig und schwer genehmigungsfähig.
- Cannabis ist kein einheitlicher Wirkstoff
- Unterschiedliche Darreichungsformen: Ă–le, BlĂĽten, Extrakte, Edibles
- Jede Charge kann sich in Zusammensetzung und Wirkung unterscheiden
- Keine Standardisierung wie bei klassischen Medikamenten
"Es ist nicht wie eine Tablette mit zwei Dosierungen – es ist viel komplexer."
- Individuelle Dosierung und Wirkung
- Viele Patient:innen passen THC- und CBD-Dosis selbst an
- Diese "personalisierte Medizin" ist in Studien kaum abbildbar
- Komplexität des Pflanzenextrakts
- Cannabis enthält Hunderte bioaktive Substanzen
- Möglicherweise ist gerade das Zusammenspiel entscheidend für die Wirkung
- Reine Substanzen (z. B. isoliertes THC) könnten weniger wirksam sein
- Schmerz ist subjektiv
- Schmerzempfinden ist individuell und verändert sich
- Chronischer Schmerz ist oft nicht messbar wie Blutdruck oder Fieber
- Viele unterschiedliche Ursachen – unterschiedliche Reaktionen auf Therapie
"Man kann Patient:innen mit Schmerzen nicht einfach vergleichen wie Versuchstiere im Labor."
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Was sollten Ärzt:innen beachten?
- Viele Patient:innen nutzen Cannabis bereits eigeninitiativ
- Ärzt:innen sollten offen für Gespräche sein, auch wenn sie keine Expert:innen sind
- Wichtig ist nicht nur Schmerzlinderung, sondern globale Lebensqualität: Schlaf, soziale Kontakte, Aktivierung, psychisches Wohlbefinden
Wenn trotz hoher Dosen keine Verbesserung der Lebensqualität eintritt, sollte die Anwendung überdacht werden.
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Aspekt
Schmerzwirkung xxxxx xxxxx xxxxx xxxxxx
Psychisches Wohlbefinden
Nebenwirkungen xxxxx xxxxx xxxxx xxxxxx xxxxx
Bestuntersuchte (und bislang einzige formal zugelassene) Form
Hauptproblem xxxxx xxxxx xxxxx xxxxx xxxxx
Potenzial
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Einschätzung
begrenzte Evidenz, v. a. bei Nervenschmerzen
häufig positiv berichtet
möglich: Müdigkeit, Rauschzustände, Abhängigkeit
Nabiximols (Spray mit 1:1 THC/CBD) xxxx xxxxxx xxxxx
mangelnde Standardisierung und Studienqualität
Opioidreduktion, bessere Lebensqualität
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Gesamtbewertung
Medizinisches Cannabis kann für manche Menschen mit chronischen Schmerzen eine wertvolle Ergänzung sein – insbesondere, wenn klassische Medikamente nicht ausreichen. Aber: Die wissenschaftliche Grundlage bleibt lückenhaft. Offenheit im Gespräch und individuelle Abwägung sind entscheidend.
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Wenn Sie uns Ihre Meinung dazu mitteilen wollen, dann schreiben Sie uns gerne an:
info@schmerzliga.de Stichwort: Medizinisches Cannabis
Ihre Deutsche Schmerzliga e.V.
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